Architektur und Objekte

Den Islam über architektonische Elemente und Objekte abbilden

Wenn es darum geht, den Islam darzustellen, so bilden gesellschaftliche Akteure neben dem Symbol des islamischen Halbmondes häufig architektonische Elemente wie Minarette, Kuppeln oder Orte wie die Kaaba und die Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem visuell ab. Dies gilt z.B. für Broschüren und Illustrationen, die in muslimischen Vereinsnetzwerken zirkulieren. Aber auch andere Gruppen stellen den Bezug auf den Islam über architektonische Elemente und Objekte her.

Die Schweizerische Volkspartei (SVP) bildete im Rahmen von Plakatkampagnen während der Wahlperioden Minarette und kürzlich auch den Niqab ab. Andere populistische Rechtsparteien in Europa nutzten ähnliches Anschauungsmaterial, um auf die Präsenz des Islam im öffentlichen Raum hinzuweisen und um zugleich die Bürgerinnen und Bürger vor der Gefahr zu warnen, die von dieser ihrer Meinung nach eroberungswilligen Religion ausgehe.

Albanischen Moschee Wil/SG von Süden, aufgenommen 2017. Das Foto wird vom Islamischen Verein Wil zur Verfügung gestellt. © SZIG

Auf diese Weise wird der Islam oft auf architektonische Formen und Objekte reduziert, die von einem gewissen Exotismus geprägt sind. Was die Architektur betrifft, so ist zu beachten, dass die Mehrheit der islamischen Gebetsstätten in der Schweiz keine Kuppeln oder Minarette besitzen. «Orientalisierende Tendenzen» führen zudem dazu, dass die Innenausstattung von Moscheen auf eine Reihe von Objekten wie liturgisch bedeutendes Mobiliar (Minbar und Mihrab), Korane oder Gebetsteppiche reduziert wird (die in der Schweiz vielfach aus einem mehr oder wenig dekorativen und den Boden eines ganzen Raum bedeckenden grossen Teppichs bestehen) – oder auch auf kalligraphische Darstellungen. Was den Niqab betrifft, so ist zu sagen, dass er im öffentlichen Raum der Schweiz nur sehr selten getragen wird.

Räumlichkeiten muslimischer Vereine

Moscheen, islamische Kulturzentren, Gebetsstätten, muslimische Vereine – die vielfältige Terminologie verweist nicht automatisch auf die gleiche Realität. Im Folgenden reden wir von den «Räumlichkeiten muslimischer Vereine», «Gebetsstätten» oder «Moscheen», ohne sie wirklich voneinander zu unterscheiden. Während einige muslimische Gruppen, die in Form eines Vereins organisiert sind, Gebetsstätten verwalten (dies ist z.B. der Fall der «islamischen Kulturzentren», die von Personen mit gemeinsamer nationaler Herkunft gegründet wurden), so haben andere Vereine nicht das Ziel, solche Gebetsräume zur Verfügung zu stellen. Zudem ist der muslimische Vereinsraum, den man als «Gebetsstätte» oder «Moschee» bezeichnen würde, sicherlich zum einen durch eine religiöse Dimension charakterisiert; er ist zugleich aber auch Raum für Begegnungen sowie Austausch und fördert die lokale Integration von Musliminnen und Muslimen.

In diesem Text ist von den in Verbänden organisierten muslimischen Gruppen die Rede, doch nicht alle Gruppen sind in Vereinen organisiert: Einige Sufigruppen bilden beipielsweise eine Ausnahme. Ihre Mitglieder verfügten nicht immer über eigene Räumlichkeiten und müssen für die Dauer ihrer Treffen Räumlichkeiten mieten oder sich in Privatwohnungen versammeln.

Wenn muslimische Akteure einen Verein gründen, müssen sie nicht nur erste Gelder sammeln, sondern auch einen Ort wählen, an dem sie sich versammeln können. Ob es sich um einen einzigen Raum oder um eine Wohnung mit mehreren Räumen handelt, der Ort verankert die Gemeinschaft räumlich, er ermöglicht das Zusammenkommen, aber auch die Entwicklung der Gruppe. Verschiedene Faktoren spielen in der Wahl der Räumlichkeit eine Rolle: unter anderem das zur Verfügung stehende Budget, die Erreichbarkeit mit öffentlichen Transportmitteln und/oder mit dem Auto, die Entfernung zur Nachbarschaft, die mögliche Lärmbelästigungen begrenzen soll. Eine Mehrheit der muslimischen Vereine (Gebetsstätten oder Moscheen, Frauenvereine, Jugendverbände usw.) sind in Räumlichkeiten untergebracht, die ursprünglich als technische und kommerzielle Räume oder Privatwohnungen dienten.

Danach besteht einer der ersten Schritte für die Gruppen darin, sich den Raum anzueignen, ihn zu nutzen und zu transformieren. Dabei kommen religiöse Marker hinzu: liturgisches Mobiliar (Minbar, Mihrab), Kalligraphien, die Gott (Allah), seine Attribute und Muhammad in den Raum einschreiben, religiöse Werke und Verwendung der arabischen Sprache. Im Fall von Diaspora-Vereinen, oft als «islamische Kulturzentren» bezeichnet, findet man darüber hinaus ethnische Marker. Zu nennen sind die zur Möbelanfertigung verwendeten Materialien sowie die hervorstechenden Farben, die von den Traditionen des Herkunftslandes inspiriert sein können. Man denke an die Dominanz des Holzes in bosnischen Zentren oder auch an osmanische Verzierungen in türkischen Moscheen.

Die Verlegung eines neuen Teppichs während der Renovierung eines muslimischen Gebetsraums in der Westschweiz. Der Teppich dient als Gebetsteppich und wurde in der Türkei hergestellt. Von einem Vereinsvorsitzenden aufgenommenes Foto, 2018 von G. Chatagny im Rahmen seiner Forschungsarbeit gesammelt. © SZIG

Muslimische Akteure haben daran erinnert, wie wichtig es ist, in Gebiete umzuziehen, die weniger durch räumliche Segregation charakterisiert sind – dies bedeutet, die Räumlichkeiten in Industriegebieten an der städtischen Peripherie zu verlassen. Viele Vereine haben jedoch – nicht nur aufgrund wirtschaftlicher Faktoren – immer noch Schwierigkeiten, den Ort zu wechseln oder Räumlichkeiten bauen zu lassen. Wegen der hohen wirtschaftlichen Kosten sowie auch wegen des Engagements von Ehrenamtlichen, das zur Umsetzung eines solchen Projekts vonnöten ist, sind der Bau einer neuen Moschee oder der Umbau eines bestehenden Gebäudes ein langfristiges Projekt. Es sei zudem darauf hingewiesen, dass die Errichtung einer Moschee generell von einem engen Austausch zwischen muslimischen Akteuren und Lokalpolitikern begleitet ist, damit eine reibungslose Ansiedlung in einem Raum gewährleistet ist.

Es ist zu beachten, dass der Standort eines Vereins von Bedeutung ist. Er bezeichnet symbolisch den Platz des Islam in der Gesellschaft: Liegt die Moschee im Stadtzentrum oder im Gegenteil in einem Industriegebiet an der Peripherie? Im Falle von Vereinsräumlichkeiten, die nicht besonders sichtbar sind, spielen die Akteure manchmal mit dem Gegensatz zwischen Sichtbarkeit und Diskretion: z.B. in Form von Dekorationen, die nur von mit der Existenz des Gebetsorts vertrauten Personen erkannt werden. So können auch einfache und dezente Dekorationen ein Gefühl der Zugehörigkeit entstehen lassen.

Während der Renovierungsarbeiten sind drei Männer damit beschäftigt, die Wände neu zu streichen. Während die regulären Moscheemitglieder sich auf freiwilliger Basis an der Arbeit beteiligen, müssen einige Aufgaben von Fachpersonen ausgeführt werden, die aus dem Netzwerk der Mitglieder rekrutiert werden. Foto von G. Chatagny, aufgenommen 2018 während seiner Forschungsarbeit. © SZIG

Schliesslich sind die Merkmale der Räume für die erfolgreiche Entwicklung muslimischer Organisationen von wesentlicher Bedeutung. Begrenzte Räumlichkeiten erlauben es den Vereinen nicht, ihre Aktivitäten durch zu diversifizieren und so auszubauen. Eine der Herausforderungen besteht darin, einen separaten Raum für Spiele, Mahlzeiten, Waschungen und Gebete zur Verfügung zu haben. Die Grösse der Gebetsräume hat zudem Auswirkungen darauf, wie bequem die religiösen Rituale praktiziert werden können. Wenn ein Gebetsraum zu klein ist, wird er kaum oder gar nicht ausreichen, um alle Gläubigen unterzubringen, die zum Freitagsgebet oder an religiösen Feiertagen teilnehmen wollen. Ein enger Raum veranlasst die Verantwortlichen manchmal dazu, punktuell grössere Räume auswärts anzumieten bzw. auf den für die Frauen vorgesehenen Raum zu verzichten oder ihn zumindest zu verkleinern, so dass der Gebetssaal zu einem vornehmlich männlichen Ort wird. Wenn eine Gruppe nur einen Raum hat, verändert sich dieser Raum und bekommt im Zuge von Aktivitäten wie Gebete, Arbeitsgruppensitzungen, Frauenaktivitäten oder Mahlzeiten in der Gemeinde jeweils eine bestimmte Bedeutung. Schliesslich können Gebäude und ihre Umgebung, die nicht von Architekten entworfen wurden, um als gemeinschaftliche Treffpunkte zu dienen, eine Quelle von Spannungen mit der Gebäudeverwaltung und der Nachbarschaft sein.

Korane, Broschüren und Plakate im muslimischen Vereinsraum

Neben dem liturgischen Mobiliar sowie als Gebetsteppich dienenden Teppichboden besitzen auch die gedruckten Materialien einigen Wert für die Gläubigen. Der Koran, das heilige Buch, ist ein zentrales Werk in der Moschee. Es sind Versionen in arabischer Sprache oder in Übersetzung erhältlich.

Schliesslich sind verschiedene weitere Typen an gedrucktem Material zu erwähnen. Hierzu gehören weitere Bücher (ausser dem Koran und den Hadithsammlungen), Broschüren, Plakate, Briefe an Pinnwänden usw. So gewöhnlich sie auch sein mögen, sind diese gedruckten Materialien doch zu beachten, da sie zum reibungslosen Funktionieren von Vereinen beitragen und den Erwerb religiösen Wissens unterstützen. Sie fördern und bezeugen zudem den Austausch zwischen muslimischen Vereinigungen oder auch die Mitteilungen, die ihnen von zivilgesellschaftlichen Organisationen oder vom Staat übermittelt werden. Letzteres wurde insbesondere während der Zeit des Covid-19 deutlich, als die Vereinsverantwortlichen die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) definierten Vorgaben anschlugen, die die Gläubigen beachten mussten, um die Gebetsräume nutzen zu können.

Zudem sei das Vorhandensein von Plakaten und Broschüren zu pädagogischen Zwecken erwähnt. Diese können zum Erwerb von religiösem Wissen beitragen. So beschreiben einige zum Beispiel die Handlungsabläufe für die Durchführung von Waschungen oder des Gebets.

Abhängig von den Positionen der Herstellerorganisationen trägt das Vorhandensein solcher Druckerzeugnisse sowie auch bestimmter Koranübersetzungen dazu bei, eine traditionalistische Sicht des Islam zu verbreiten. Einige Imame und Vereinsvorsteher sind sich dessen bewusst und achten auf die Zusammenstellung ihrer Bibliothek.

Flyer und Druckerzeugnisse wie die oben genannten fördern auch den Austausch zwischen den muslimischen Verbänden. Während des Ramadans beispielsweise organisieren Wohltätigkeitsorganisationen und humanitäre Hilfswerke wie die «Islamic Relief Suisse» oder die «Stiftung humanitäre Hilfe» konkrete Aktionen und die Spendenaufrufe werden hauptsächlich über Plakate und Broschüren publik gemacht.

Wenn lokale Verbände Veranstaltungen organisieren, wird die finanzielle Unterstützung auf die gleiche Weise organisiert. Schliesslich können auch gewisse Projekte, seien es gross angelegte wie der Bau einer neuen Moschee oder bescheidenere wie Kurse und Workshops, sichtbar kommuniziert werden. Dies ermöglicht es Vereinsvorstehern auch, die Dynamik des Vereinslebens hervorzuheben und zu zeigen, dass die Gemeinschaft lebendig ist und sich entwickelt.

Nach mehreren Wochen Arbeit kam ein Mann zum Gebet und fotografierte den neu gestalteten Innenraum der Moschee. Foto von G. Chatagny, aufgenommen 2018 während seiner Forschungsarbeit. © SZIG

In einigen Moscheen sind die Namen von Mitgliedern sowie Spenderinnen und Spendern deutlich sichtbar angebracht. Dies ist auch als Wille der Verantwortlichen zu deuten, den politischen Vertretern und der übrigen Gesellschaft zu zeigen, dass sie transparent sind. Doch es ist zugleich auch eine Möglichkeit, das Gefühl der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft zu stärken, denn so weiss schliesslich jeder, wer dazu gehört und die Ziele der Gruppe unterstützt.

Druckmaterialien zeugen im Übrigen auch davon, dass die Moschee ein Ort der Interaktion ist: Manchmal finden sich dort Gemeindebulletins, Fassungen offizieller Statistiken (z.B. über die religiöse Vielfalt in der Schweiz) oder Stellungnahmen von z.B. im interreligiösen Dialog aktiven Vereinen.

Literatur

Bayle M.-H. (2007). Qu’est-ce qu’une mosquée ?

Bleisch Bouzar, P., Rey, J., Stoffel, B. & Walser K. (2005). Eglises, appartements, garages : la diversité des communautés religieuses à Fribourg. Fribourg: Fribourg Academic Press.

Chatagny, G. (2021). Experiencing a Mosque Through Photography: Islam As an Ordinary Religion. Visual Ethnography, vol.10, n.2.

Göle, N. (2015). Musulmans au quotidien. Une enquête européenne sur les controverses autour de l’islam. Paris. La Découverte.

Haenn, P. & Lathion, S. (2009). Les minarets de la discorde. Gollion: Infolio.

Verkaiik, O. (2012). Designing the ‘anti-mosque’: identity, religion and affect in contemporary Europen mosque design. Social Anthropology/Anthropologie Sociale, 20(2), 161-176.

Links

Collage (2017). Raum für Religionen / Sacré territoire. Collage, Périodique d’urbanisme, d’aménagement et d’environnement, 3, 14-17.

Zentrum für Religionsforschung. Kuppel − Tempel – Minarett. Moscheen in der Schweiz. Luzern: Universität Luzern.